Sonntag, 6. Dezember 2009

Walle Walle RD-Welle



Die Russlanddeutschen machen Radio im Internet! Natürlich gibt es schon länger PodCasts oder Ähnliches im weltweiten Netz der Russlanddeutschen oder Russlandmennoniten - aber bisher wohl kaum mit der globalen Idee: Radio von Russlanddeutschen für Russlanddeutsche in Russland und Deutschland gemeinsam hergestellt. Also eine russlanddeutsche Welle im Radio, während auch Nicht-Russlanddeutsche laut Aussagen der Macher von RD-Welle ausdrücklich dazu eingeladen sind, mitzumachen und mitzuhören. Und sie sind ja glücklicherweise auch längst schon dabei.

Die erste Radiosendung ist bereits online. Wer neugierig ist, sollte unbedingt mal reinklicken und reinhören bei RD-Welle im Informationsportal RusDeutsch. Die russlanddeutsche Organisation IVDK (Moskau) hatte im Rahmen eines Internetseminars jetzt im Dezember eine Radio-Expertin eingeladen: Gemeinsam mit den Seminarteilnehmern aus ganz Russland und Deutschland hat Larissa Chudikowa (Лариса Худикова), die für die Moskauer Deutsche Zeitung arbeitet, diese erste Sendung hergestellt. Sowohl die Idee als auch das bisherige Ergebnis sind meiner Meinung nach eine wirklich gute und sinnvolle Sache. Hier werden dem Hörer nicht nur geographisch und inhaltlich die Russlanddeutschen nähergebracht. Radiosendungen dieser Art könnten auch dazu beitragen, dass die Russlanddeutschen in Russland und ihre Freunde und Verwandten in Deutschland bei ihren Aktivitäten und Projekten etwas mehr zusammenrücken.

Wäre doch nicht schlecht, oder?

Bei dem Namen RD-Welle muss ich komischerweise an den Zauberlehrling von Goethe denken. Aber Dinge, die man aus der Hand gibt, oder die eine nicht mehr kontrollierbare Eigendynamik entwickeln, die müssen doch nicht zwangsläufig in die Hose gehen!? Ich wünsche dem russlanddeutschen Radio, gemacht von wem auch immer, viele Freunde und Förderer!

Apropos Goethe: Das Goethe-Institut Moskau hat das Internetseminar finanziell gefördert - und damit eine längst fällige Sache mit auf den Weg gebracht. Ich wünsche den Organisationen wie IVDK, Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und allen ihren Partnern eine immer bessere Zusammenarbeit - auch wegen solchen hübschen Dingen wie RD-Welle:

Первая передача интернет-радио портала RusDeutsch RD-Welle

Bei RusDeutsch.eu (bzw. RusDeutsch.ru) findet man inzwischen ein breitgefächertes Angebot an Informationen zu den Russlanddeutschen in Russland und weltweit. Auf Russisch und auf Deutsch. Fast täglich werden Einträge ergänzt, neben redaktionellen Textbeiträgen gibt es Audio- und Video-Mitschnitte, Online-Datenbanken und einiges mehr. Das RD-Welle-Podcasting wird hoffentlich ein fester Bestandteil dieser Plattform werden. Die gute Qualität dieser Seiten ist vor allem auch das Verdienst der Redakteurin Dr. Olga Silantieva (Ольга Силантьева, Foto).

Samstag, 14. November 2009

Alex Wiens




Der Mord-Prozess in Dresden hat international für Aufsehen und Aufregung gesorgt: Marwa el-Sherbinis Mörder ist nun diese Woche zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auch meiner Meinung nach das Mindestmaß an Strafe für eine so grausame Tat. Dass der 28-jährige Rassist und Frauenfeind russlanddeutscher Aussiedler ist und dazu auch noch Wiens heißt, hat mich zusätzlich geschockt. Ich schäme mich für den Rassenhass "unter uns" und bin unendlich traurig darüber...

Hier einige Links zum Thema:
Lebenslänglich für Alex Wiens, stern.de
Marwa El-Sherbini, Wikipedia, mit vielen weiterführenden Links
Friede wird viele zerstören, blogspot.com

Zum Foto oben: Dr. Katharina Neufeld (Direktorin des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte, Detmold) im Gespräch mit Dr. Stefan Müller (Leiter des Instituts für Migrations- und Aussiedlerfragen, Oerlinghausen) während des 3. Integrationskongresses OWL in Lemgo diesen Dienstag. Ich stand dabei und hörte, wie Katharina ihr Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass die Russlanddeutschen in den Medien unglücklicherweise vor allem dann auftauchen, wenn sich da jemand mal wieder von seiner dunkleren Seite zeigt, wie in diesem Mord-Prozess, während es doch so viele positive Beispiele gäbe. Es werde ein einseitig negatives Bild vermittelt, das die Gesamtheit der Russlanddeutschen in ein falsches Licht rückt. Zum Zeitpunkt dieses Gesprächs fühlte ich mich selbst noch nicht sehr berührt. Als ich diese Woche dann aber erfuhr, dass "Alex W." für "Alex Wiens" steht, fühlte ich mich wirklich schlecht, fast schon mitschuldig...

Wiens ist einer der häufigsten Namen bei den Russlandmennoniten und auch der Name des Protagonisten in Rudy Wiebes Roman Friede wird viele zerstören. Dass Rudy Wiebe gerade in Deutschland auf Lesereise ist, sieht man auch auf dem Plakat, das zwischen Müller und Neufeld an der Wand hängt (siehe Foto oben).

Dienstag, 30. Juni 2009

Unna-Massen verlassen


Das war's. Ende Gelände. Unna-Massen ist Geschichte.

Heute macht die Aufnahmestelle für Aussiedler, Zuwanderer und Flüchtlinge im westfälischen Unna-Stadtteil Massen dicht. Wie bei vielen anderen Aussiedlern und Ausländern (insgesamt 2,5 Mio.!) gehört auch zu meiner Migrationsgeschichte ein intensives Stückchen Unna-Massen.

1975 landeten wir in Friedland, dann verbrachten meine Eltern mit ihren 8 Kindern 6 Monate im "Massen-Lager", bis sie dann in eine Sozialwohnung in Siegburg zogen. In Unna-Massen habe ich angefangen Deutsch und Russisch zu lernen: Deutsch in der ersten Klasse (mit Herrn Psichon?) und mit viel Mickey Maus und Donald Duck, Russisch "Auf der Tüte" so nebenbei, inklusive Fluchwörter. Neulich sagte mir jemand: Unna-Massen kannst du hassen, aber nicht verlassen. Für mich selbst stimmt der erste Teil nicht so recht. Der zweite irgendwie schon. Auch wenn dieses Aufnahmelager jetzt die Tore schließt...

Das Gelände war so groß wie ein kleiner Stadtteil. Seit der Gründung 1951 war es die erste Anlaufstelle für Einwanderer aus über hundert Ländern. Sie konnten hier Unterkunft, Sprachkurse und Beratung in Anspruch nehmen. Letztes Jahr kamen jedoch nur noch knapp 1000 Personen nach Unna-Massen, während es früher teilweise über 20.000 pro Jahr waren. Jetzt sollen die Kommunen den Job übernehmen, wenn Neuankömmlinge an Deutschlands Tür klopfen. Das Kompetenzzentrum für Integration, das früher auch hier angesiedelt war, ist schon vor einer Woche umgezogen und jetzt in der Bezirksregierung Arnsberg zuhause.

Mein Zuhause bleibt indes mein Migrationsweg...

Zum Foto oben: Der Aussiedlerbeauftragte Dr. Christoph Bergner im Gespräch mit Bürgern, die Fragen haben. Ich nutzte diese Gelegenheit neulich auf der Jarmarka in Bad Salzuflen auch und fragte nach der Meinung zu meiner MSO-OWL-Gründungsinitiative. Skepsis und Zurückhaltung war die Antwort... Ich bin gespannt, wie die vielen Russlanddeutschen sich in Zukunft selbst sehen oder organisieren wollen. Ich tippe mal: Einige werden "normal deutsch" werden wollen und dann irgendwann in der Mehrheitsgesellschaft verschwinden. Ein zweiter Teil wird sich mit russlanddeutschen Gruppen (wie etwa mit der Landsmannschaft, aber nicht mit diesem Namen) identifizieren. Ein dritter Teil wird immer mehr die Parallelen und die gesellschaftliche Schicksalsgemeinschaft mit anderen Migrantengruppen spüren und pflegen. Ich glaube, mir sind alle drei Versionen recht ;-)

Montag, 1. Juni 2009

Russischer Jahrmarkt in OWL




Jedes Jahr einmal verwandelt sich ein Teil der Messehallen in Bad Salzuflen in eine russischsprachige Zone: Russkaja Jarmarka. Diesmal waren auch hochkarätige Politiker wie z.B. der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Dr. Christoph Bergner oder der Europapolitiker Elmar Brok auf der Bühne - von CDU-Mann und Integrationsaktivist Heinrich Zertik vermittelt und vorgestellt. Aber Politik spielt hier auf der Bühne und auch sonst auf dem riesigen Messegelände eigentlich kaum eine Rolle - und wenn, dann mit rechtem Übergewicht ;-) Hier wird geredet, Musik gehört, getrunken, gegessen, gekauft, verkauft und jede Menge Werbung gemacht - von russischsprachigen Unternehmen oder Vereinen und Organisationen, die in irgendeiner Weise etwas mit Russland, Russisch oder Russlanddeutschen zu tun haben (wollen). Insgesamt eine bunte und laute Sache mit Schaschlik, Spaß und einem bizarren Gemisch aus viel Russland und ein bisschen Deutschland.

Besonders begeistert war ich von Надежда Бабкина и гр. "Русская песня" :-)

Doch noch ein bisschen Politik: Sowohl Bergner als auch Shurawski äußersten sich postiv und erwartungsvoll in Bezug auf die neueren Entwicklungen im Rahmen der Deutsch-Russischen Regierungskommission. Siehe dazu:
- 13. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für Angelegenheiten der Russlanddeutschen tagte in Belokuricha/Altai oder
- Россия и Германия приветствуют создание МКС oder
- Protokoll der dritten Sitzung der deutsch-russischen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der 14. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen

Saadi Isakov (Foto links) ist der Begründer und Geschäftsführer von Russkaja Jarmarka und Herausgeber der Zeitschrift Nascha Marka.

Zum Foto mit den Personen/Politikern auf der Bühne, v.l.n.r.: Saadi Isakov, Heinrich Zertik, Elmar Brok (spricht gerade), Karl Dittmar, Dr. Christoph Bergner, Dr. Alexander Schumacher (dolmetscht gerade), Alexander Wladimirowitsch Shurawski (Leiter der Abteilung für interethnische Beziehungen im Ministerium für Regionalentwicklung der Russischen Föderation)

Die Fotos sind vom 30. Mai 2009 in Bad Salzuflen. Copyright beim Autor.