Montag, 29. August 2016

75 Jahre - Deportation - 28. August 1941


Meine Mutter war damals 15, mein Vater 16. Die Geschichte der Deportation der Russlanddeutschen ist inzwischen tausendfach erzählt und dennoch irgendwie unbekannt geblieben:

Weil Hitlerdeutschland Russland den Krieg erklärt hatte, wurden die Deutschen und Plattdeutschen, die im damaligen Russland schon längst "zuhause" waren und nichts mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges zu tun hatten, aus dem europäischen Teil des großen Landes per Erlass von Stalin vertrieben bzw. deportiert - weit weg in ihnen bisher unbekannte asiatische Gebiete. Wer nicht schon unterwegs in den übervollen Viehwaggongs starb oder später aufgrund von Kälte, Hunger oder unmenschlichen Bedingungen, unter denen jahrelang Zwangsarbeit geleistet werden musste, der blieb für den Rest seines Lebens in den Verbannungsgebieten, irgendwo in Kasachstan oder Sibirien.

Meine Eltern haben überlebt und ich bin als achtes Kind in der Nähe von Omsk geboren. Dass meine Familie, so wie Millionen anderer Russlanddeutsche, aus jenem terroristisch regierten Land raus wollten, dürfte nachvollziehbar sein. Es hat ja dann glücklicherweise auch irgendwann geklappt. Gott sei Dank sind die Staaten Russland und Deutschland heute dabei, sich an demokratischen und humanistischen Grundwerten zu orientieren - wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

Während der Gedenkfeier gestern in Berlin mahnte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière u.a. auch dazu, dass die Russlanddeutschen, wenn es um die Bedeutung ihrer Geschichte für eine gemeinsame Zukunft hier in Deutschland gehe, mehr Empathie den Menschen entgegen bringen sollten, die heute von Flucht und Vertreibung betroffen sind. Ich bin überzeugt davon, dass diese Mahnung sowohl sinnvoll als auch notwendig ist. Bei allen Unterschieden, die es zwischen russlanddeutschen Aussiedlern und den Flüchtlingen aus aktuellen Krisengebieten geben mag, überwiegt immer noch das Gemeinsame.

Wir leben hier neben- und miteinander, tragen in unseren Rucksäcken furchtbare Geschichten und gleichzeitig auch den Wunsch und die Herausforderung, ein möglichst gutes Leben zu organisieren. Wahrscheinlich hat jeder Russlanddeutsche aus den schlimmsten Zeiten seiner Familiengeschichte auch die Erfahrung im Gepäck, dass die eine oder andere wohlwollend ausgestreckte Hand Hilfe und Hoffnung gebracht hat. Es war oft die Hand eines Fremden. Das geht heute bestimmt auch.

Nach einem Abstecher zum Parkfriedhof Marzahn (Kranzniederlegung, Andacht...) warten die Teilnehmer/innen der Gedenkfeier vor dem Reichstagsgebäude auf ein Gruppenfoto mit dem Bundesinnenminister (siehe Foto ganz oben).

Keine Kommentare: